Ein Beitrag von Pfr. K.-P. Schrapel, Pastoralpsychologischer Berater und Krankenhausseelsorger im Klinikum St. Marienberg in Helmstedt

Seit der Tod immer häufiger im Krankenhaus oder im Alten- und Pflegeheim eintritt, ist die früher übliche Form der Aufbahrung der Verstorbenen an den drei Tagen bis zur Bestattung immer mehr in den Hintergrund getreten. Während ältere Menschen aus ländlicher Umgebung sich noch gut daran erinnern können, wie sich früher die Nachbarn im Sterbehaus versammelten und man gemeinsam Erinnerungen über das Leben des Verstorbenen austauschte, verschwanden diese Bräuche in den letzten Jahrzehnten fast vollständig.

Vermeidungsverhalten führt zu unabgeschlossenen Trauerprozessen

Das mag u.a. auch daran liegen, dass für viele Menschen die direkte Konfrontation mit dem Tod, im besonderen die Vorstellung vom Anblick eines Verstorbenen mit großen Ängsten verbunden ist. So folgen viele einfach diesem Impuls der Angst und bitten darum, möglichst gar nicht und wenn unvermeidbar, dann nur für eine möglichst kurze Zeit mit dem Anblick eines verstorbenen Angehörigen konfrontiert zu werden.

Nun zeigen aber die neuesten Erkenntnisse der Trauerforschung, dass gerade dieses Vermeidungsverhalten dazu führen kann, dass Menschen den nötigen Trauerprozess nicht abschließen. Sie bleiben dann in ihrer Trauer sozusagen stecken. Dies zeigt sich insbesondere gerade dann, wenn es sich um einen unerwarteten und plötzlichen Todesfall handelt. Oft geraten Hinterbliebene dann in der Trauerzeit nach der Beerdigung in einen Zustand des Zweifelns und der Ungewissheit. Es tauchen immer wieder quälende Fragen auf, die nicht mehr beantwortbar scheinen: „Ist mein Angehöriger wirklich gestorben? War sie tatsächlich tot? Oder bilde ich mir das alles vielleicht nur ein …?“ Solche nicht abgeschlossene Trauer kann Menschen in eine große Lebenskrise stürzen, zumal das Umfeld der Betroffenen meist nur mit Unverständnis auf solche Fragen reagieren kann.

Sehen und begreifen was geschehen ist

Daran wird deutlich, wie wichtig es für uns ist, dass wir von Dingen nicht nur hören, sondern sie mit eigenen Augen sehen und sie auch im wahrsten Sinne des Wortes be-greifen müssen! Dies gilt eben insbesondere auch für das Ereignis des Todes. Halfen früher feste von Generation zu Generation überlieferte Rituale und Bräuche den Angehörigen durch aktive Handlungen an den Gestorbenen (Augen schließen, Kinn hochbinden, waschen, Um- und Ankleiden) nach und nach die Realität des Todes ihres Verstorbenen zu begreifen, so ist dies heute meist an das Pflegepersonal im Krankenhaus, im Seniorenheim bzw. an die Bestatter delegiert.

Aufbahrungsraum im Kreiskrankenhaus St. Marienberg, Helmstedt
Aufbahrungsraum im Kreiskrankenhaus St. Marienberg, Helmstedt

Abschied am Totenbett / im Aufbahrungsraum hilft den Tod zu begreifen

Um den Trauerprozess aber in dieser veränderten Situation von Anfang an auf einen guten Weg zu bringen, ist es nun um so wichtiger dass es gelingt, die Ängste vor dem Kontakt mit den Toten zu überwinden! Die wichtigste Information dazu gleich vorweg: Der Kontakt mit einem Toten ist im Normalfall gesundheitlich völlig unbedenklich, es sei denn die Person ist an einer hochansteckenden Krankheit o.ä. verstorben. Dabei gilt für den Umgang mit unseren Verstorbenen nichts anderes als das, was uns auch für den Umgang mit Kranken bekannt ist. Immer wieder auftauchende Geschichten über die angebliche Gefahr des sog. „Leichengiftes“ sind reine Fantasieprodukte und schlichtweg falsch! So etwas gibt es nicht!

Die alte und inzwischen leider bei uns fast in Vergessenheit geratene Tradition der Aufbahrung der Verstorbenen bietet dabei einen guten und würdevollen Rahmen, um Abschied zu nehmen. Dabei sind jedoch, wie die Erfahrung zeigt, viele Menschen unsicher, ob eine solche Aufbahrung zuhause überhaupt zulässig ist. Dies ist bis zu 36 Stunden nach Eintritt des Todes ausdrücklich vom Gesetzgeber erlaubt. (Weitere Infos dazu im „Infofenster“!). Aber auch Bestatter, Pflegeheime und Krankenhäuser bieten in ihren Räumlichkeiten solche Möglichkeiten des Abschieds von den Toten an.

So konnte im letzten Jahr in Zusammenarbeit der Krankenhausseelsorge mit vielen Mitarbeitern im Helmstedter Krankenhaus St. Marienberg und dem Krankenhausförderverein der alte, leider viel zu wenig genutzte Abschieds- und Aufbahrungsraum so umgestaltet werden, dass er Menschen dazu einlädt, in würdevoller und möglichst nicht beängstigender Atmosphäre von Ihren Verstorbenen Abschied zu nehmen.

Aufbahrungsraum im Kreiskrankenhaus St. Marienberg, Helmstedt

Darüber hinaus bietet die Krankenhausseelsorge dort allen Hinterbliebenen, die das wünschen – unabhängig von religiösem Bekenntnis und Nationalität – ihre Begleitung beim Abschied von den im Krankenhaus Verstorbenen an.

Eingangsbereich des Aufbahrungsraumes
Eingangsbereich des Aufbahrungsraumes

Die Aussegnung – ein hilfreiches christliches Ritual zum Abschied von Verstorbenen

Wenn ein Mensch im Sterben liegt, kann sie oder er durch einen bewussten Abschied und einen Segen auf der letzten Wegstrecke gestärkt werden.

Da die meisten Menschen nicht mehr zuhause sterben, ist das Angebot der Aussegnung durch einen Pastor oder eine Pastorin vielen nicht mehr bekannt. Im Umgang mit der Trauer kann die Aussegnung der Verstorbenen, ob zuhause, im Krankenhaus oder bei den Bestattern, eine Entlastung und Hilfe sein: Damit wir einen Menschen nicht nur hergeben, sondern zugleich Gott anvertrauen, bietet Ihnen die Kirche seelsorgerliche Begleitung an.

Für Angehörige steht die Aussegnung am Ende der Begleitung im Sterben und zugleich am Beginn der Trauer. Der Segenszuspruch sowohl für die Sterbenden als auch für die anwesenden Angehörigen soll das Loslassen voneinander ermöglichen, getragen von der Hoffnung dass jeder sich auf seinem Weg der Hand und dem Schutz Gottes anvertrauen kann.

Bitten Sie den Pfarrer oder die Pfarrerin, Ihnen in dieser Situation beizustehen. Sie können sich durch solch ein kleines aber wirksames Ritual beim Abschied stärken lassen, das schon vielen anderen vor Ihnen in dieser Situation geholfen hat. Dazu kann – zu Hause oder im Abschiedszimmer des Krankenhauses oder Altersheims – ein Kreuz aufgestellt werden. Kerzen werden entzündet. Ein Pfarrer oder eine Pfarrerin, oder andere (Angehörige, Nachbarn, Freunde) beten gemeinsam, hören ein Wort aus der Bibel, haben Gelegenheit zur Stille oder für ein letztes Wort. Weinen, Klagen, Schweigen – für alles, was zum Abschied nehmen gehört, ist Zeit und Raum. Der Zuspruch des Segens Gottes für den Sterbenden bzw. bereits Verstorbenen und seine Hinterbliebenen ist Höhepunkt, Ziel und gleichzeitig Abschluss der Aussegnung.

Oft fällt es den Angehörigen schwer, den richtigen Zeitpunkt für die Aussegnung zu bestimmen. Wir möchten Sie ermutigen, bereits bei dem leisen Verdacht, ein geliebter Mensch könnte sterben, den Kontakt zu der bzw. dem Geistlichen vor Ort aufzunehmen und um die Aussegnung zu bitten. Ist der Tod bereits eingetreten, egal ob im Krankenhaus, zu Hause oder an einem anderen Ort, sind die zuständigen Gemeindepfarrerinnen und –pfarrer sowie das Team der Krankenhausseelsorge ebenfalls gern dazu bereit, die Aussegnung mit Ihnen zu begehen.

Rechtliches zur Hausaufbahrung

Nach den gesetzlichen Grundlagen für das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen in den 16 deutschen Bundesländern haben Angehörige (Ehegatten, Eltern, Geschwister, Kinder) des Verstorbenen in Bezug auf eine Hausaufbahrung folgende Rechte und Pflichten:

  1. Nach Eintritt des Todes muss ein Arzt (in der Regel der Hausarzt) gerufen werden, um die Todesbescheinigung auszustellen. Zuvor dürfen keine Versorgungs- und Behandlungsmaßnahmen vollzogen werden.
  2. Es besteht die Möglichkeit, einen Verstorbenen bis zu 36 Stunden nach Eintritt des Todes ohne Beantragung einer behördlichen Genehmigung zu Hause zu behalten, um ihn dort aufzubahren.
  3. Angehörige können bei den zuständigen Behörden eine Verlängerung der Aufbahrungsfrist von 36 Stunden auf bis zu 96 Stunden (zuzüglich beerdigungsfreier Tage, z. B. Wochenenden, Feiertage) beantragen. Ein Anrecht auf Bewilligung eines solchen Antrags haben Angehörige jedoch nicht.
  4. Der Verstorbene muss in einem geeigneten Raum (der nicht gleichzeitig als Wohn-, Schlaf-, Arbeits- oder Wirtschaftsraum genutzt wird) aufgebahrt werden.
  5. Verstorbene, die an einer übertragbaren Krankheit nach dem Bundesseuchengesetz (z.B. Aids, Hepatitis, Sepsis, Tuberkulose, Typhus) gestorben sind, dürfen nicht zu Hause aufgebahrt werden.

Kosten

Bei einer Hausaufbahrung können auf die Angehörigen zusätzliche Kosten für die Überführung des Verstorbenen und die damit verbundenen Dienstleistungen des Bestatters sowie Gebühren für die Besorgung der notwendigen Erlaubnis über die 36 Stundenfrist hinaus anfallen.

Quelle: Bernd-Peter Bertram: ,,Abschiednehmen, Ratgeber Hausaufbahrung“, Buchverlag Andrea Schmitz, Qverath 1996

Die Aufbahrung der Verstorbenen – ein alter Brauch mit neuen Chancen